Die Bonsaigestaltung

Meine spezielle Begrüssung gilt allen Kunden meines Garten-Center Meier AG in Dürnten,
die ich gerne auf diese Homepage verweise.

 

Gestalten durch Schneiden

Die wichtigsten Gestaltungsmassnahme ist das Schneiden: Ohne Schnitt kein Bonsai!

Bonsai-Anfänger glauben oft, dass ohne ihr Zutun die Bäume immer schön klein bleiben. Mit erstaunen werden sie feststellen, dass manche auch in der Schale meterlange Triebe machen können. Dann kommen sie mit den aufgegossenen Bäumen ins Bonsai-Centrum und sehen mit Schrecken meinen rigorosen Schnittmassnahmen zu. Wären diese zuvor kontinuierlich erfolgt, würde der Baum klein und buschig sein. Der Rückschnitt erscheint manchem als Vergewaltigung.
Aber auch in anderen Bereichen werden "Rückschnitte" angewendet, zum Beispiel beim Coiffeur. Spass beiseite, auch der rasen muss geschnitten werden, Hainbuchen- und Thujahecken werden in Form gebracht und Obstbäume tragen nur durch gezielten Schnitt reichlich Früchte. Auch Zimmerpflanzen kürzen wir ohne Bedenken ein wenn sie an der Decke anstehen. Kein Mensch stört sich daran, wir empfinden es als normal.
Warum also nicht auch beim Bonsai?
 
Schnitt an jungen Trieben
 
Die immer wieder neu wachsenden Triebe müssen gezielt beschnitten werden. Entweder um den Baum in Form zu halten oder um ihn erstmals zu formen. Durch das richtige Schneiden veranlassen wir den Bonsai, seine neuen Triebe in die von uns gewünschte Richtung wachsen zu lassen. Grundsätzlich haben wir es bei unseren Laubbäumen Mit zwei unterschiedlichen Hauptgruppen zu tun: Bei den einen stehen die Blätter und Knospen abwechslungsweise am Ast, beispielsweise bei Buchen und Eichen, bei den anderen stehen sie direkt einander gegenüber, wie etwa beim Ahorn. Die wechselständigen werden anders als die gegenständigen beschnitten.
 
Schneiden wechselständig beblätterter Triebe:
 
Man lässt im Frühjahr den Bonsai erstmal richtig austreiben, bevor man zu Schere greift. Grundsätzlich gilt die Regel" 5 bis 6 Blätter entwickeln lassen, auf 1 bis 3 Blätter zurückschneiden". Neben diesem Grundsatz gibt es noch abweichende Regeln: Steht die Knospe oder das Blatt auf das man zurückschneidet in die falsche Richtung, so wird auf das vorherige oder darauffolgende Blatt geschnitten. Wichtig ist vor allem, dass die Knospe aus dem Bauminnern nach aussen weist. Bei jungen Bonsai schneidet man dann eher auf 3 Blätter, bei alten nur auf ein Blatt zurück.
 
Schneiden von Trieben mit gegenständigen Blättern:
 
Auch hier lässt man den Bonsai erst richtig austreiben, erst dann kommt der erste Schnitt. Bei Bäumen mit gegenständigen Blättern lässt man mindestens 3 bis 5 Blattpaare wachsen. Dann wird auf 1 bis 2 Paare zurückgeschnitten. Auch hier muss man auf die Knospenstellung achten. Da immer zwei Knospen auf gleicher Höhe stehen, wird oft eine in die falsche Richtung weisen. Sollte dies der Fall sein, so können wir sie sofort ausknipsen oder das erscheinende Ästchen später entfernen. Liegen beide Knospen waagerecht nebeneinander, können sie meistens beide stehen bleiben. Da bei gegenständigen Gehölzen oft ein sparriger Wuchs vorherrscht, ist bei der Gestaltung auf diese Merkmale besonders zu achten.
 
Schneiden von Ästen
 
Ist unser Baum noch jung, werden die meisten Äste relativ nahe beieinander stehen. Mit zunehmendem Alter oder aber wenn wir einen Findling oder eine Containerpflanze vor uns haben, können ganze Äste und Astteile überzählig sein. Diese Arbeit kann man eigentlich das ganze Jahr über machen.
Grössere Schnittstellen heilen aber besser und schneller, wenn der Bonsai nach dem Rückschnitt in die Wachstumsphase übergeht, also im Frühling. Etwa Ende März/April werden grössere Äste mit der Konkavzange entfernt. Die Bonsai sind wohl schon im Saft, bluten aber noch nicht sehr. Bei wärmerem Wetter bekommen sie einen Wachstumsschub und verschliessen die Wunde rasch und sauber. Auch können so nicht mehr lange holzschädigende Krankheiten eindringen.
Trotzdem empfehle ich, grössere Schnittstellen, etwa im Durchmesser eines Bleistifts, mit den japanischen Wundverschlussmitteln zu verstreichen. Eine dünne Schicht mit dem Finger aufgetragen genügt. Diese wird mit der Zeit vom Baum wieder abgestossen. Nicht zu empfehlen sind unsere starkhaftenden, dünnen Wundanstriche die sich über Jahrzehnte nicht mehr entfernen lassen. Achten Sie auch darauf, dass die Werkzeuge mit denen sie arbeiten sauber sind und ausserdem gut schneiden. Es gibt auch Krankheiten die durch unsaubere Geräte weiter verbreitet werden.
Beim Entfernen dicker Äste direkt am Stamm empfehle ich eine Knospenzange zu verwenden. Diese greift bei jedem Schnitt halbkugelförmig in Holz und Rinde, und macht eine vertiefte Wunde. Solche Schnitte heilen viel schneller zu als normale. Es gibt dadurch auch eine schönere Vernarbung zum Wundzentrum hin. Innert weniger Jahre sind solche Stellen kaum noch sichtbar.
 
 
Kürzen der Austriebe an Nadelgehölzen
 
Nun wird es schon etwas schwieriger, denn bei den Nadelgehölzen unterscheiden wir mehrere Typen . Nehmen wir als erstes die Föhrenartigen, also Wald- und Bergföhre, Mädchenkiefer und Arve:
Diese Gehölze bilden schon im Herbst die sogenannten Kerzen aus. Im Frühling bei warmem Wetter werden die walzenförmig runden Kerzen immer mehr gestreckt, erreichen ihre vielfache Länge und schieben langsam aus den pergamentartigen Hautschuppen die Nadeln hervor. Das ist nun für uns der Zeitpunkt regulierend einzugreifen. Lassen wir die Triebe fertig auswachsen, bekommen wir ein Übermass an Längenzuwachs. Wir halten nun mit einer Hand das untere Drittel der Kerze gut fest und entfernen durch eine drehend-brechende Bewegung die zwei oberen Drittel. Kein Gebrauch der Schere, reine Handarbeit. Beim Rückschnitt mit einer Schere werden mehrere Nadeln durchtrennt und bekommen später unschöne braune Enden.
 
Etwas anders verhält es sich mit den Rot- und Weisstannen. Diese besitzen im Herbst noch keine Kerzenansätze sondern Knospen . Aus diesen erfolgt der Frühlingsaustrieb. Dieser Austrieb ist anfangs weich und kann deshalb gut gezupft werden. Man wartet bis er etwa 2 bis 3 cm gewachsen ist und zupft dann 2/3 davon vorsichtig aus. Das verbleibende Drittel ebenfalls festhalten, damit nicht der ganze Neuzuwachs abgerissen.
 
Lärchen haben sowohl Längentriebe wie die obengenannten, als auch sogenannte Kurztriebe. Längentriebe werden wie beschrieben gezupft, an den Kurztrieben haben wir nichts zu kürzen. Sie bilden nur einen Kranz Nadeln. Beim Rückschnitt auf einen Kurztrieb wird dieser aber ebenfalls zum Längenwachstum angeregt. Sie sehen, warum die Lärche einer meiner liebsten Bonsai ist!
 
Als Letztes nun die Wacholder und Zypressenartigen. Hier wollen wir ja die Bildung von kissenartigen Polstern fördern. Aus dem Grunde werden jeweils die Längentriebe, die aus den Polstern herauswachsen, gezupft. Dieses Auszupfen wird während der ganzen Wachstumsperiode weitergeführt. Wacholder stoppen das Wachstum während des Sommers nicht. Nach oben, in die Länge und hängende Triebe werden gezupft, so ergeben sich mit der zeit die schönen dichten Kissen. Da wir nur weiche Austriebe zupfen können, darf man mit dieser Arbeit nicht zulange warten. Sind die Ästchen schon verhärtet, so muss man vorsichtig mit der schere ans Werk gehen und dabei darauf achten, dass keine der Nadelschuppen durchtrennt werden, braune Enden wären das Ergebnis.
 
 
Das Gestalten durch Drahten und Abspannen
 
Neben dem richtigen Rückschnitt können noch andere Gestaltungsmethoden angewendet werden. Das Umwickeln der Äste mit Draht und das darauffolgende Biegen der Triebe wird den Bonsaifreunden oft noch mehr verübelt als das Schneiden. Bäume mit Draht zu umwickeln ist für den Laien der höchste Grad der Vergewaltigung und gedrahtete Bonsai arme Krüppel. Sicher, wir haben für diese Methode keine vergleichbaren Massnahmen in der üblichen Gartenkultur, aber das Schienen eines gebrochenen beides ist vergleichbar. Wir halten den Ast durch den steiferen Draht in der gewünschten Form bis er sich verfestigt hat.
Ist eine genetische Verkrüppelung der Zwerggehölze, der Minihunde und glupschäugigen Goldfische nicht schlimmer? Diese nicht mehr rückgängig zu machenden Massnahmen sind meiner Meinung nach schwerwiegender als unser Drahten, was ja nur gestalterische Gründe hat und vor dem Einwachsen in die Rinde wieder entfernt wird. Die Vergewaltigung der gesamten Natur durch den Menschen, Waldsterben, Gewässerverschnutzung und Kahlschlag der Wälder diskutieren wir an dieser Stelle besser nicht, oder?
 
Nachdem wir nun allen Kritikern den Wind aus den Segeln genommen haben, können wir ja zu Werke schreiten! 
 
Das Drahten
 
Mit einem entsprechend dicken Draht können wir Äste in jede gewünschte Lage biegen. Ist der Draht zu dünne, geht der Ast wieder in seine ursprüngliche Stellung zurück. Ist der Draht zu dick, besteht die Gefahr, dass wir den Ast um den Draht wickeln, nicht umgekehrt. Es ist also wichtig, dass wir die richtige Drahtstärke vorher bestimmen. Sie sollte ein Drittel bis die Hälfte der Stärke des zu drahtenden Astes haben. Indem wir den Draht provisorisch einige Male um den Ast wickeln, können wir testen, ob er die nötige Festigkeit hat, um den Ast zu halten. Der Ast sollte beim Versuch in der gewünschten Lage bleiben.
Als Draht wählen wir einen kolorierten Aluminiumdraht aus Japan. Er ist geschmeidig und bietet trotzdem festen Halt. Dieser Draht kann immer wieder gebraucht werden. Auch reiner Kupfer- oder Aluminiumdraht kann verwendet werden. Er ist aber störrisch zu handhaben und wird später am Baum sehr hart, sodass er nur noch mit der Zange zu entfernen ist. Aus Elektrokabeln gewonnener Kupferdraht muss vorher auf einem Papierfeuer ausgeglüht werden um ihn etwas geschmeidiger zu machen. Sollten wir aus irgend einem Grunde Stahldraht verwenden wollen, so muss dieser vorher mit Crêpepapier umwunden werden. Gedrahtet wird immer von innen nach aussen. Mit dem dicksten Draht an den dicksten Ästen fängt man an und arbeitet sich mit immer dünnerem Draht in die Aussenbereiche der Krone vor.
Nachdem wir nun den Draht gewählt haben und die wichtigsten Voraussetzungen kennen, beginnen wir mit dem Drahten. Wir legen den Draht in einer offenen Schlinge um den Stamm oder Hauptast und legen ihn in nicht zu dichten , aber auch nicht zu weiten Windungen um den Trieb. Vom Triebquerschnitt her gesehen, sollte der Draht in einem Winkel von 45 Grad aufliegen. Leichte Abweichungen sind zulässig, vor allem wenn der Draht etwas dicker als nötig ist. Nie sollte der Draht als geschlossene schlinge den Ast oder Stamm umschliessen und ihn strangulieren. er würde rasch einwachsen und der eingeschnürte Teil abbrechen. Der Draht kann aber auch so angelegt werden, dass man mit einem Stück gleich zwei Äste drahten kann. Dafür wird er nur einmal in der Drahtmitte um den Stamm gelegt und die verbleibenden Enden gleich zu den nächstliegenden Ästen geführt. Achten Sie darauf, dass es nicht Äste sind die auf genau gleicher Höhe liegen. Dies ergibt eine instabile Drahtung, eine "Schaukel".
Laubgehölze werden im Frühsommer gedrahtet und vor dem Einwintern entdrahtet. Spätestens dann, wenn die Rinde den Draht zu überwallen beginnt. Hässliche Narben würden zurückbleiben. Diese mindern den Wert des Bonsai erheblich. Nadelbäumen legt man den Draht im Herbst an, entdrahtet sie im Frühling vor dem Austrieb.
Sollte der Draht mit der Zeit zu hart geworden sein, sodass er sich nicht mehr von Hand abwinden lässt, muss er stückweise mit eine speziellen Entdrahtezange entfernt werden. Eingewachsene Drahtteile schneidet man so kurz als möglich ab und lässt sie besser einwachsen als sie aus der Rinde zu reissen. Das ergibt hässliche Verletzungen.
 
Das Abspannen
 
Diese von mir oft im 2. Teil erwähnte Methode ist etwas "softer" als das Drahten, erregt nicht soviel Aufsehen bei den Kritikern und ist fast gleich effektiv. Einziger Nachteil ist, dass man beim Abspannen nicht so einfach nach den Seiten arbeiten kann wie mit dem Draht. Doch mit einigen Kniffen lässt sich auch diese Klippe umschiffen. Schlussendlich wird keiner feststellen welche Methode wir angewendet haben. Während längerer Zeit sieht aber unser Baum eher wie ein Festzelt oder eine Wäschespinne aus. Mehrere Möglichkeiten des Abspannens sind gegeben:
1. Wir legen einen Draht oder eine Schnur um die Schale, gleich neben den Füssen dass nichts abrutscht, und können nun daran weitere Drähte und Schnüre hochziehen um die Äste herunter zu binden.
2. Wir spannen Drahte oder Schnüre vom Stamm oder einem dicken Ast aus in die Krone und ziehen Äste damit in die gewünschte Position. Achtung, dies Abspannvorrichtung muss öfters kontrolliert werden damit sich am Stamm oder Ast keine Einschnürung ergibt, da wir ja eine geschlossene Halteschlinge machen müssen.
3. Der Bonsai wird mitsamt der Schale auf ein Holzbrett montiert. Zwei bis vier kräftige Drähte fixieren an Schrauben befestigt die Schale. Nun kann man an den gewünschten Stellen Agraffen (Krampen) oder Schrauben befestigen und jede Menge Abspanndrähte in die Krone führen.

 

Morgens streift ihn meine erster Blick,
den Geliebten,
mächtig streckt er seine Arme zum Himmel,
er Starke,
dem Frühling, der Sonne öffnet er sich,
der Verwegene,
vom Herbst entkleidet,
im Winter, todesähnlich entzieht er sich mir,
ach der Untreue.

Gedicht von Bert Stankowski (1984) 

Japanische Übersetzung und Kalligrafie:

Frau Sumiko Nishizawa

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